Musikmesse Frankfurt 2016 – Messebericht
TAG 1
Geht man dieses Jahr über die Musikmesse in Frankfurt, ist einiges beim Alten aber man bemerkt einige, wie ich finde, gravierende Änderungen. Besonders die Aussteller aus dem Schlagzeugbereich machen sich für ihr Publikum rar. Während in der Klavierhalle eine um die Qualität der eigenen Instrumente wissende althergebrachte Gelassenheit herscht und rund um die Stände der Anbieter von DJ-Equipment der basslastige Bär tobt, finde ich als Schlagzeug-interessierter Messebesucher nicht die gewohnte Vielfalt unterschiedlichster Hersteller vor. Das mag mit der neuen Organisation und Ausrichtung der Messe zu tun haben – wobei mir nicht klar ist, ob sie Ursache oder Ergebnis der Entwicklung ist: An allen Tagen ist auch Publikum zugelassen. Früher waren an den ersten Tagen ausschließlich Fachbesucher unterwegs, bevor dann das spielwütige Publikum am Wochenende die Hallen in Beschlag nahm.
Aufgrund der immensen Lautstärke an vielen Ständen, konnten auch an Fachbesucher-Tagen nur unter erschwerten Bedingungen geschäftliche Verhandlungen geführt werden, und dazu dient eine Messe für viele Fachbesucher in erster Linie. Daher wurde ein Businessbereich eingerichtet, in dem nun abgeschirmt vom Treiben auf der Austellungsfläche, Geschäfte getätigt werden können.
Es scheint (aufgrund des neuen Messekonzeptes?) eine gewisse Zurückhaltung bei den Herstellern zu geben. Istanbul Cymbals ist vor Ort, Yamaha mit eigenem Ausstellungsbereich ebenfalls und die Cymbalschmiede dream aus Kanada ist wieder da. Aber zuviele von mir erwartete Hersteller fehlen mit einem eigenem Austellungsstand: Sonor, Meinl, DW, Tama, Mapex, Ludwig/Musser, Paiste, Sabian, Zildjian, Vic Firth, Premier, Lefima, Gibraltar, Dixon, Pro Mark, um nur diejenigen zu nennen, die mir spontan einfallen.
Was waren das noch für Zeiten, als Nicko McBrain die Paiste-Kabine gerockt hat, Vic Firth zu Lebzeiten an seinem eigenen Stand unterwegs war und die Unterschiede zwischen den verschiedenen Stockmodellen erklärt hat, Claus Hessler am Sabian-Stand Autogramme gegeben hat und Jim Chapin, Zorro oder Johnny Rabb bei DW mal so zwischendurch spielten. Jack DeJohnette und Adam Nussbaum waren bei Sonor aktiv. In der Meinl-Kabine gaben sich die Top-Drummer die Klinke in die Hand und die Leute rissen sich um die Tickets für die Performance von Simon Philipps bei TAMA. Billy Cobham war auf einer kleinen Bühne zu hören. Man konnte einen ganzen Tag nur in der Schlagzeughalle verbringen und hatte trotzdem nicht alles gesehen.
Zurück in die Gegenwart! Wenn also die großen Austeller ihre Instrumente nicht zeigen (hat sich das alles ins Internet und (haus)eigene Firmenevents verschoben?), haben die kleinen die Chance ihre Neuigkeiten ungestörter zu präsentieren.
Manic Drum – Mit Klemmen zum variablen und individuellen Sound
Der Custom Hersteller MANIC DRUM wartet mit interessanten Innovationen auf: An seinen Trommeln sind statt Böckchen Klemmen angebracht, dank derer sich der Spannreifen in kürzester Zeit entfernen, das Fell wechseln und – bei identischer Stimmung! – das neue Fell wieder aufziehen lässt. Weitere innovative Features sind die mehreren Stufen der Klemmen, sodass man in kurzer Zeit eine Trommel mit einer oder mehreren Klemmen tiefer stimmen kann, oder wenn bei einer Snare die Mittelstellung der Standard ist sogar die Möglichkeit hat in beide Richtungen schnell (und exakt reversibel!) zu verstimmen. Der je nach Durchmesser 4- oder 5-teilige Spannreifen ist nicht massiv und verkraftet deshalb die unterschiedlich ziehenden Klemmen. Jedes einzelne Element des Spannreifens kann aus einem anderen Material bestehen. Dadurch hat man gerade bei der Snare die Möglichkeit Sidestick- und Rimshot-Sounds mit unterschiedlichen Klangeigenschaften zu erzeugen. Aber auch bei den Toms dürften sich so interessante Effektmöglichkeiten ergeben.
Besonders bei Snare und Bass Drum überzeugt mich dieses System. Viele spielen ja ewig ihr geliebtes Bass Drum Fell, nur weil sie sich nicht trauen es zu wechseln. Die Stimmung und das Spielgefühl könnten ja hinterher anders sein. Und bei der Snare hat man während des Gigs die schnelle Verstimmung und das Zurückstimmen voll kontrolliert im Griff. Man muss nicht mit einem oder zwei Stimmschlüsseln hantieren. Man könnte aber auch das: An jeder Klemme sitzt eine normale Stimmschraube zum Feinstimmen. Man könnt also auch eine verstimmte Standardeinstellung haben (alle Klemmen sind in derselben Stellung) und man bringt durch das verstellen einer Klemme das Trommelfell in eine an allen Punkten identische Stimmung, etwas was zum Beispiel bei der nach RotoTom-Prinzip funktionierenden und schnell verstimmbaren Snare von Firchie nicht möglich ist. Hier wirkt der Mechanismus auf alle Stimmschrauben immer gleich.
Hat mich auf den ersten Blick überzeugt! Für einen Praxistest würde mich interessieren:
1.) Wie klingt ein Rimshot? Update: Ich habe ihn nicht selber getestet. Von anderen gespielt, klang er absolut vollwertig, wie bei einer Snare, die mit einem Standard-Spannreifen ausgestattet ist.
2.) Wie klingt ein Sidestick? Update: Erdig satt und rund sowie sehr transparent. Es scheint mir so, als würde die offene Konstruktion der Spannreifen für eine gute Klangprojektion und -verbreitung sorgen.
3.) Hält der Spannreifen Rimshots über längere Zeit aus? Laut Hersteller absolut ja. Ich habe am Sonntag Abend ein Foto von einer auf der Messe ausgestellten Snare gemacht und der Spannreifen sah tadellos aus.
4.) Klappern die Klemmen, wenn einige nebeneinander locker sitzen? Das konnte ich nicht mehr selber ausprobieren.
5.) Wie lässt sich der ebenfalls durch Klemmen gehaltene und schnell lösbare Snareteppich wechseln? Im Video sieht man, wie leicht er auf der Seite der Abhebung zu lösen ist (Screenshot). Auf der anderen Seite muss man Schrauben lösen – insgesamt einfacher, als bei einer Standard-Abhebung.
Da schaue ich morgen nochmal vorbei, auch um die Tomhalterungen zu fotografieren. Sowohl bei Hängetoms als auch Standtoms werden die tomseitigen Teile der Halterung in durch zwei Metallstifte stabilisierte Steckhalterungen geschoben. Das Abnehmen der Hängetoms geht sehr schnell und unkompliziert. Durch die Erdanziehungskraft sitzen die Toms fest in ihren Halterungen.
Was passiert aber mit den Halterungen der Standtom-Beine, wenn man das Tom leicht hochhebt? Hebt man das Tom aus den Halterungen der Füße?
Update: Die Tom-Füße werden durch einen Magneten an ihrem Platz gehalten und sind leicht zu lösen. Auch hier wurde eine durchdachten Lösung gefunden.
Hier ein paar Fotos und ein Video:
Fazit: Es gab in den letzten Jahren kleine Detailverbesserungen an den unterschiedlichsten Bauteilen von Trommeln zu beobachten. Was Manic vorgelegt hat, ist ein großer Entwicklungsschritt und das innovativste System im Bereich Schlagzeug dieses Jahr auf der Messe und meines Wissens seit langer Zeit überhaupt.
NORD weist in die Zukunft
Nord stellt das neue Drummodul nord drum 3 vor. Extrem handlich, wirkt es fast zerbrechlich.
Hier einige Fotos:
Blackwood ersetzt schwere Edelhölzer
Eine äußerst interessante und für mich neue Art von Holz ist das sog. Blackwood von der gleichnamigen Firma. Es handelt sich dabei laut Info-Broschüre von Blackwood um eine Entwicklung von Dr. Branko Hermescec, der das Holz die letzten 22 Jahre lang entwickelt hat. Es handelt sich um Weichholz welches „durch chemische Umwandlung“ zu diesem Hartholz wird. Da könnte man nochmal nachfragen, was da genau passiert.
Mit einer hohen Dichte auf dem Level von Ebenholz, liegt es damit weit über Rosewood (Palisander) und Maple (Ahorn).
Die aus diesem Holz hergestellten Stöcke entsprechen im Gewicht den oft im Orchester bevorzugten Modellen, sind aber deutlich härter.
In einem Praxistest müsste sich die höhere Haltbarkeit erst herausstellen. Desweiteren müsste es unterschiedliche Modelle – vor allem auch mit kleineren Köpfen! – geben.
Hier ein Foto:
Polyend gehen den umgekehrten Weg
Die aus Polen stammenden Entwickler von Polyend verwenden live gespielte Signale, die in MIDI-Daten umgewandelt wurden und reine MIDI-Daten, um ein akustisches Schlagzeug anzusteuern. Dazu verwenden sie neuartige Spielsensoren: Aus einem schwarzen Ball, der nahe einem Instrument plaziert ist, schnellt ein Stück Holz hervor, das das jeweilige Instrument anspielt. Man kann also MIDI-Daten akustisch zum klingen bringen, sein eigenes Set spielen lassen oder sein eigenes Spiel live anreichern mit den Original-Sounds!
NICE!
Hier Fotos und ein Video davon:
Das war der Bericht vom ersten Tag.
Bis morgen (-:
Nicolas Unger
www.nicolasunger.com
TAG 2
Heute waren einige Drummer auf der Messe unterwegs, wie Patrick Metzger, Claus Hessler, Wolfgang Haffner und Udo Dahmen.
Live wurde auch einiges geboten:
Los ging´s mit Anika Nilles, die zwei Songs spielte und zwischendurch im Interview davon berichtete, wie sie zum Schlagzeugspielen kam und wie ihre musikalischen Zukunftspläne aussehen.
Das ganze wurde vom Deutschlandfunk für die Sendung „On Stage“ aufgezeichnet, die heute abend im Radio zu hören ist und danach online abrufbar ist.
Druckvoll und groovig präsentierte Anika Nilles ihre Songs, die sie in Zukunft mit einer eigenen Band live spielen möchte. Das wäre ihr nächster Schritt, wie sie sagte.
Danach war auf der Center Stage Martin Engelien (Bass) mit Go Music zu hören und zu sehen. Die gesamte Band hatte extrem viel Spaß! Die Mitglieder: Dirk Brandt an den Drums, PiTTi Hecht Percussion, Yaelle Cinkey Gesang und Gitarre.
Zurück in Halle 8 wurde Gregor Meyle von seinen Zuhörern gefeiert. Er vermochte es, inmitten der Messehalle Konzertatmosphäre zu erzeugen.
Das war der zweite Tag.
Bis morgen (-:
Nicolas Unger
www.nicolasunger.com
TAG 3
Heute war der Tag der Legenden. Besonders beeindruckend: Mikkey Dee und Leigh Howard Stevens – sehr verschiedene aber gleichermaßen beeindruckende Persönlichkeiten.
Mikkey Dee, ehemaliger Schlagzeuger von Motörhead und derzeitiger Trommler von Thin Lizzy
Mikkey Dee mit Karl Brazil (Robbie Williams, James Blunt, Olly Murs, Jason Mraz uva.)
Karl Brazil
Rick Latham
Marko Duvnjak (Andreas Gabalier)
Conny Sommer
Mike Terrana
Glenn Tipton (Judas Priest)
Mille Petrozza (Kreator)
Chris Rörland (Sabaton)
Pär Sundström (Sabaton)
Phil X (Bon Jovi)
Konstantin Wecker erhielt die Auszeichnung Klavierspieler des Jahres
Peter Bursch, der Gitarrenlehrer der Nation
Im Gespräch mit Dr. Frank Reinisch vom Verlag Breitkopf & Härtel stellte Prof. Dr. Barbara Busch als Herausgeberin das im selbigen Verlag erschienene Buch Grundwissen Instrumentalpädagogik vor. Umfassend werden darin z.B. die unterschiedlichsten Lehrsituationen mit den unterschiedlichsten Schülern dargestellt und Tipps zur Unterrichtsgestaltung gegeben. In 7 Kapiteln geht es um Grundlagen und Didaktik der Instrumentalpädagogik, psychologische Hintergründe, Adressatinnen und Adressaten instrumentalpädagogischer Angebote (wie es im Buch heißt), spezifische Handlungsfelder der Instrumentalpädagogik, ein Nachdenken über die instrumentalpädagogische Praxis und die Instrumentalpädagogik im historischen Kontext.
Auf 480 Seiten schreiben 14 Autorinnen und Autoren in diesem Wegweiser für Studium und Beruf. Ein Standardwerk für jeden, der sich lehrend mit Musik beschäftigt.
Im Gespräch und ein Selfie mit Leigh Howard Stevens:
TAG 4
Hier die Fotos dieses Tages von Karl Brazil, Brian Tichy und The Dead Daisies, Jost Nickel sowie Paul Hochstädter und der hr Big Band mit Al Jarreau.
Karl Brazil
The Dead Daisies
Brian Tichy (The Dead Daisies)
Paul Höchstädter mit der hr Big Band
Al Jarreau mit Paul Höchstädter am Schlagzeug sowie Tony Lakatos (sax) und Oliver Leicht (sax))
Selfies mit drei Gurus auf ihrem Gebiet:
Peter Walsh hielt einen Vortrag über Aufnahme und Mischung von Schlagzeug in einer Rockproduktion
Manni von Bohr lieferte einen Top-Stimmworkshop!
Christoph Krachten hielt einen Vortrag über Marketing und Zielgruppen
Das war mein Bericht von der Musikmesse 2016
Bis zum nächsten Jahr.
Nicolas Unger
www.nicolasunger.com